Sachverständigengutachten

Bei der Klärung einer medizinischen oder medizinisch-technischen Frage kann die Stellungnahme eines Facharztes oder Sachverständigen eine wichtige Rolle spielen.

Im medizinischen Bereich kann die Einbeziehung von Sachverständiger erforderlich sein, um medizinische Tatsachen festzustellen, einzuschätzen, ob die Betreuung nach dem Stand der Wissenschaft erfolgte, oder um den aufgrund von unsachgemäßer Behandlung entstandenen Schaden zu ermitteln.

Arten von Gutachten

Die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens kann auf folgende Weise veranlasst werden:

  • einseitig, insbesondere durch den Antrag eines Patienten oder seines Rechtsanwalts;
  • freiwillig und kontradiktorisch auf Antrag aller betroffenen Parteien;
  • durch gerichtliche Anordnung.

Einseitige Stellungnahme eines Arztes und einseitiges Privatgutachten

Für den Patienten ist es oft wichtig, neben der Meinung des Gesundheitsdienstleisters, der die ursprüngliche Leistung erbracht hat, die Meinung eines weiteren Fachmanns einzuholen.

Manchmal ersucht eine Partei einen vereidigten Sachverständiger oder einen Arzt mit besonderen Qualifikationen einseitig um eine Stellungnahme.

Ein von einem Kollegen erstelltes ärztliches Attest oder die Stellungnahme eines vereidigten Sachverständigen kann eine hohe Erklärungs- und Beweiskraft haben.

Diese Privatgutachten oder Stellungnahmen können allerdings, wenn ihre Erstellung nicht kontradiktorisch erfolgt ist – das heißt, unter ordnungsgemäßer Mitwirkung des Gesundheitsdienstleisters, der die Leistung erbracht hat – grundsätzlich angefochten werden.

Einvernehmliches kontradiktorisches Gutachten

Die Streitparteien können im gegenseitigen Einvernehmen beschließen, gemeinsam und freiwillig einen Sachverständiger mit der Erstellung eines kontradiktorischen Gutachtens zu beauftragen.

So schlägt der Haftpflichtversicherer des Gesundheitsdienstleisters dem Patienten im medizinischen oder medizinisch-technischen Bereich manchmal vor, ein einvernehmliches kontradiktorisches Gutachten erstellen zu lassen.  

Durch das einvernehmliche kontradiktorische Gutachten wird die gütliche Beilegung eines Konfliktes erleichtert.

Einem einvernehmlichen Gutachten, das auf kontradiktorische Weise erstellt wurde, wird eine höhere Glaubwürdigkeit zugeschrieben, als einem einseitigen Gutachten oder einem einfachen einseitigen Attest.

Im Allgemeinen kann das einvernehmliche kontradiktorische Gutachten gegenüber den an der Erstellung beteiligten Parteien geltend gemacht werden.

Der Wert des Gutachtens hängt allerdings davon ab, welchen Wert ihm die Parteien im Rahmen der Vereinbarung beigemessen haben, mit welcher der Sachverständige beauftragt wurde.

Im Falle von Rechtsstreitigkeiten kann der Richter in der Regel beschließen, seine Entscheidung allein auf ein einvernehmliches kontradiktorisches Gutachten zu stützen. Er ist dazu allerdings nicht verpflichtet.

Gerichtsgutachten

Das Gerichtsgutachten ist ein Gutachten, das infolge der Entscheidung eines Gerichts erstellt wird, das dessen Erstellung angeordnet hat.

Es kann sich um eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ("référé expertise") oder eine Sachentscheidung in Zivilsachen handeln. Die Erstellung des Gutachtens kann auch von einem anderen Gericht angeordnet werden, insbesondere von einem Sozialgericht.

Gerichtsgutachten werden immer auf kontradiktorische Weise erstellt und müssen strengen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensvorschriften genügen.

Sie haben eine hohe Beweiskraft. In den meisten Fällen schließt sich das Gericht der Meinung des Sachverständigen an, es kann seine endgültige Entscheidung aber nach freiem Ermessen treffen.

Ablauf der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens

Aufgaben des Sachverständigen und Sachverständigengutachten

Die Erstellung des Gutachtens beginnt damit, dass der Sachverständige seinen Auftrag annimmt. Der Sachverständige kann einen Fall ablehnen, insbesondere wenn er der Meinung ist, nicht über die erforderlichen Kompetenzen zu verfügen oder eine zu enge Beziehung zu einer der Parteien zu haben.

Der Sachverständige nimmt entsprechend dem erteilten Auftrag Stellung. Dazu kann die Feststellung medizinischer Tatsachen, die Beantwortung der Frage, ob die Betreuung sachgemäß erfolgte, oder die Bewertung des entstandenen Schadens zählen.

Wenn es sich um ein Gerichtsgutachten handelt, wird der Auftrag des Sachverständigen von dem Gericht festgelegt, das die Erstellung des Gutachtens angeordnet hat. Wird die Erstellung des Gutachtens einvernehmlich beschlossen, legen die Parteien den Auftrag gemeinsam fest.

Der Sachverständige nimmt im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben Stellung, indem er einen schriftlichen Bericht verfasst.

Die Erstellung des Gutachtens endet mit dem Verfassen eines endgültigen Gutachtens. Gegebenenfalls erstellt der Sachverständige im Vorfeld ein vorläufiges Gutachten.

Patientenakte

Im Allgemeinen stellt die begutachtete Person die Elemente der Patientenakte bereit, die vom Sachverständigen geprüft werden sollen.  

Erstellung des Gutachtens

Im Allgemeinen wird das Gutachten nicht allein aufgrund der Patientenakte erstellt, sondern die betroffene Person wird vom Sachverständiger persönlich untersucht.

Zu diesem Zweck vereinbart der Sachverständige einen Termin. Das ist in der Regel das einzige Mal, dass der medizinische Sachverständige mit dem Patienten zusammentrifft. Es können gegebenenfalls auch mehrere Untersuchungstermine vereinbart werden.

Der Patient kann sich bei Bedarf von einer Person seiner Wahl begleiten lassen.

Wenn es sich um ein Gerichtsgutachten handelt, lädt der Sachverständige auch die Rechtsanwälte vor. Diese können der Anamnese, aber nicht der ärztlichen Untersuchung beiwohnen.  

Die Erstellung des Gutachtens beginnt normalerweise mit der Anamnese (Familienanamnese – Soziale Anamnese – Krankengeschichte), wobei mit der zu begutachtenden Person insbesondere das Thema Schmerzen angesprochen wird.

In weiterer Folge führt der Sachverständige im Allgemeinen eine ärztliche Untersuchung durch (allgemeine Untersuchung und Spezialuntersuchung in Zusammenhang mit dem Auftrag).

Bei Bedarf kann der Sachverständige einen oder mehrere andere Sachverständige beiziehen, um Fragen in einem Fachbereich zu klären, in dem er nicht über die erforderlichen Kompetenzen verfügt.

Ermittlung des Schadens

Wenn es um den Ersatz eines Personenschadens geht, werden in Luxemburg in den meisten Fällen ein ärztlicher Experte (medizinischer Sachverständiger) und ein Sachverständiger für die Schadensbewertung (Rechtsanwalt für die Schadensbewertung) hinzugezogen.

Zur Bewertung einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit verwenden die ärztlichen Sachverständiger im Allgemeinen einen nationalen Schlüssel. Dieser - im Bereich der Unfallversicherung verpflichtende - Schlüssel der luxemburgischen Unfallversicherung kommt meistens auch bei zivilgerichtlichen Gutachten zum Einsatz.

Dieser Schlüssel enthält eine Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen in Prozent (Grad der Erwerbsunfähigkeit zwischen 0 % und 100 %) und der persönlichen Schäden (Schmerzen, Entstellungsschäden usw.) auf einer Skala von 0 bis 7.

 

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