Gesetzlich Ausnahmen

Anzeigen, Gerichtsverfahren und Zeugenaussagen vor Gericht

Anzeige an die Justiz- oder Polizeibehörden

Grundsätzliches:

Ein Patient, der sich in einer rechtswidrigen oder schwierigen Lage befindet und Pflegeleistungen benötigt, muss sich ohne Angst vor den Folgen behandeln lassen und dem Pflegepersonal anvertrauen können.

Wenn ein Gesundheitsdienstleister im Rahmen der Ausübung seines Berufs erfährt oder vermutet, dass ein Patient eine Straftat begangen hat, darf er den Justiz- oder Polizeibehörden im Allgemeinen keine Informationen über eine von seinem Patienten begangene Straftat übermitteln.

Beispiele:

  • ein Krankenpfleger darf einen Patienten nicht wegen Rauschgiftbesitzes anzeigen;
  • ein Arzt darf einen Einbrecher, der sich behandeln lässt, nicht anzeigen.

 

Ausnahme nach der Rechtsprechung: Der Patient ist Opfer einer Straftat

Gemäß der Rechtsprechung ist es zulässig, dass ein Gesundheitsdienstleister, wenn sein Gewissen es erfordert, da wichtige Interessen auf dem Spiel stehen, schwere Straftaten anzeigt, denen ein Patient zum Opfer gefallen ist. Der Gesundheitsdienstleister ist dazu allerdings nicht verpflichtet und kann es vorziehen, sein Schweigen nicht zu brechen.

Beispiel:

  • ein Arzt kann einen Versuch, seinen Patienten zu vergiften, anzeigen.

 

Ausnahme nach der Rechtsprechung: Notstand

Aus Information, die ein Gesundheitsdienstleister über seinen Patienten oder einen Dritten erfahren hat, kann eine erhebliche, aktuelle, unmittelbare und tatsächliche Gefahr für die körperliche oder geistige Unversehrtheit anderer ersichtlich sein.

In so einem Fall liegt ein Notstand vor, und ein Brechen der Schweigepflicht kann dem Gesundheitsdienstleister nicht vorgeworfen werden.

Dazu muss es allerdings um ein zu schützendes übergeordnetes Interesse gehen. Die Beurteilung, ob eine Gefahr unmittelbar bevorsteht, kann sich in der Praxis als schwierig erweisen.

Beispiel:

  • ein Angriff auf die Ehre eines Dritten stellt kein ausreichend schwerwiegendes Interesse dar, das eine Aufhebung der Schweigepflicht rechtfertigt.

 

Verpflichtung, gewisse Verbrechen an Minderjährigen zu melden

Artikel 140 des Strafgesetzbuchs schreibt vor, dass den Justizbehörden im Interesse des Schutzes von Minderjährigen alle Verbrechen an Minderjährigen in folgenden Fällen gemeldet werden müssen:

  1. wenn Verbrechen noch verhindert oder ihre Auswirkungen eingeschränkt werden können; oder
  2. der Täter eine weitere Straftat begehen könnte, die dadurch verhindert werden kann.

Beispiel:

  • ein Arzt muss einen Missbrauch an einem minderjährigen Jugendlichen melden, wenn dies zur Verhinderung der Tatwiederholung erforderlich ist. 

Zeugenaussage vor Gericht

Ein Gesundheitsdienstleister, der als Zeuge über einen Sachverhalt aussagen soll, welcher der Schweigepflicht unterliegt, kann die Aussage unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern.

Er kann jedoch auch beschließen, seine Schweigepflicht zu brechen, wenn die betroffenen Interessen übergeordnet sind.

Ein Gesundheitsdienstleister, gegen den Klage erhoben wurde, ist selbstverständlich ebenfalls ermächtigt, während des Gerichtsverfahrens Gesundheitsinformationen offenzulegen, wenn dies zu Wahrung seiner Rechte vor Gericht erforderlich ist.

Besondere gesetzlich vorgesehene AUSNAHMEN

In Fällen, in denen die Offenlegung gewisser medizinischer Daten ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die ärztliche Schweigepflicht aufgehoben.

So bestehen etwa folgende Verpflichtunge zur Weitergabe von Informationen:

  • Anzeigen von Geburten, wenn die Anzeige nicht durch die Eltern erfolgt (Code civil – Art. 55);
  • Meldung der Todesfälle (Code civil– Art. 77 ff.);
  • Medlung von Infektionskrankheiten oder ansteckenden Krankheiten, für die Meldepflicht besteht (Gesetz vom 29. April 1983 über die Berufsausübung durch Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte – Art. 17);
  • Pflicht dem Kontrollärztlichen Dienst der Sozialversicherung (Contrôle médical de la sécurité sociale) auf Anfrage sämtliche Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten bereitzustellen (Sozialgesetzbuch – Art. 421). 

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